Die akuten Folgen des Cannabiskonsums sind von individuellen Faktoren und dosisabhängig und reichen von einem subjektiv als sehr angenehm empfundenen Zustand bis zum medizinischen Notfall (selten).
Im günstigen Fall stehen eine entspannte Euphorie mit anschließender Müdigkeit und Appetitsteigerung im Vordergrund. Begleitet ist der Zustand oft von kognitiven Störungen. Von diesen wird die assoziative Lockerung bis zum situationsinadäquaten Witzeln meist als angenehm empfunden („alles ist lustig“).
Diese Ausprägung des Cannabisrausches wird mir vor allem von Konsumenten von Cannabiskraut („Marihuana“) in inhalativer Form, vor allem Zigaretten („Joints“) berichtet.
Beim gegenwärtig kaum noch berichteten Konsum von Cannabisharz („Haschisch“) scheint die anfänglich vorhandene entspannte Euphorie rasch in einen Zustand der bleiernen Müdigkeit und motorischen und kognitiven und motorischen Beeinträchtigung („stoned“) überzugehen (persönliche Berichte von Patienten).
Unabhängig von der Konsumform kommt es jedenfalls dosisabhängig zu weiteren kognitiven Störungen, formalen Denkstörungen, Depersonalisationserleben und psychomotorischer Verlangsamung.
Körperliche Reaktionen sind vor allem Herzrasen und Blutdruckschwankungen.
Verwirrtheit bis zum Delir, Halluzinationen, Panikattacken, Paranoia, manische Selbstüberschätzung und Angetriebenheit komplizieren manchmal den Cannabisrausch.
Suizidalität kann im Cannabisrausch vorkommen.
Relevante Unfälle mit Folgen erklären sich aus der allgemeinen Beeinträchtigung während des Cannabisrausches.
Massive Übelkeit und Erbrechen können im Cannabisrausch vorkommen.
Blutdruckschwankungen und Tachycardie (schneller Herzschlag) bergen die Gefahr cardivaskulärer Komplikationen (Herzprobleme, Schlaganfall).
Ein schädlicher Gebrauch von Cannabis liegt vor, wenn der Konsum trotz damit verbundener negativer psychischer oder körperlicher Folgen fortgesetzt wird.
Kritik Anderer am Konsum, inklusive juristische Folgen, sind für die Diagnose eines schädlichen Gebrauchs nach ICD 10 nicht ausreichend, obwohl sie ein erhebliches Problem für den Betroffenen darstellen können.
Ich verwende in Fällen juristischer Probleme (z.B.: Fragen zur Lenkerberechtigung) die Bezeichnung „Missbrauch“ und bewege mich damit außerhalb des ICD 10.
Eine Cannabisabängigkeit liegt vor, wenn irgendwann innerhalb des letzten Jahres mindestens drei der folgenden Beschwerden gleichzeitig vorgelegen haben.
Es scheint auf den ersten Blick leicht und eindeutig, das Vorliegen der Symptome zu beurteilen. In der Praxis werden sie aber gelegentlich, beispielsweise durch einen scheinbar frei gewählten Lebensstil und andere Faktoren maskiert. Im vertrauensvollen Gespräch und durch einen Abstinenzversuch können die Beschwerden aber sichtbar werden.
Der starke Drang, Cannabis zu konsumieren und die Verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich Beginn, Dauer, Ende und Menge des Konsums können eventuell bei willentlich fortgesetztem Konsum gar nicht bewusst sein. Ein Hinweis auf ein Problem in diesem Bereich kann die Häufigkeit des Konsums sein.
Die Beurteilung einer Toleranzentwicklung bezüglich der erwünschten Wirkung wird durch unzureichende Dosisangaben (z.B. ungefähre Angabe einer Anzahl von „Joints“) erschwert.
Ein Entzugssyndrom wird bei hochfrequentem Konsum nicht bemerkt. Auch gelegentlich ein oder zwei Tage ohne Konsum reichen nicht aus, um das Auftreten eines Entzugssyndroms auszuschließen.
Die Fortschreitende Vernachlässigung anderer Interessen zugunsten des Umgangs mit Cannabis wird oft nicht so wahrgenommen. Für die Aufgabe von Hobbies werden ganz andere Gründe ins Treffen geführt. Dass man ggf. hauptsächlich mit ebenfalls hochfrequent Cannabis konsumierenden Menschen Kontakte pflegt, wird mit Sympathie, ähnlichen Lebensumständen, oder geteilten Einstellungen und nicht primär mit dem Cannabiskonsum in Verbindung gebracht. Ebenso werden nicht wahrgenommene persönliche oder berufliche Entwicklungschancen „den Umständen“, aber nicht dem Cannabiskonsum zugeschrieben.
Das Vorliegen einer echten Cannabisabhängigkeit ist insgesamt allerdings selten. Sehr oft sind gleichzeitig andere psychische und körperliche Komorbiditäten (=Begleiterkrankungen) vorhanden. Die erfolgreiche Behandlung dieser Begleiterkrankungen ist dann von entscheidender Bedeutung.
Diese Beschwerden kennzeichnen in unterschiedlicher Ausprägung das Cannabisentzugssyndrom. Das Auftreten von Entzugsbeschwerden kommt vor allem bei hochfrequentem, also zumindest mehrmals wöchentlichem und hochdosiertem Konsum vor und ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Das Maximum der Beschwerden ist am 3. bis 7. Tag der Abstinenz erreicht. Insgesamt dauert das Cannabisentzugssyndrom etwa eine bis drei Wochen.
Die Behandlung kann je nach den Umständen ambulant, oder stationär erfolgen. In leichteren Fällen kann bei entsprechender Motivationslage auch ein Entzug ohne ärztliche Unterstützung erfolgreich sein.
Eine Psychose ist ein mentaler Zustand der Verminderung, oder des Verlustes des Realitätsbezuges.
Psychosen sind durch Halluzination, formale und inhaltliche Denkstörungen (Wahn), desorganisiertes Verhalten und eine sogenannte „Negativsymptomatik“ gekennzeichnet.
Halluzinationen sind Wahrnehmungstäuschungen, bei denen jemand etwas sieht, hört, riecht schmeckt, oder fühlt, was von anderen so nicht wahrgenommen wird. Dabei steht der Realitätscharakter des Wahrgenommenen für die Person außer Zweifel. Es gibt mehrere Ursachen für das Auftreten von Halluzinationen.
Am häufigsten kommen meiner Einschätzung nach Halluzinationen bei Substanzgebrauch und Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis vor, können aber auch bei anderen Erkrankungen des Zentralnervensystems auftreten.
Besonders charakteristisch für Erkrankungen aus dem schizophrenen Formenkreis ist Stimmenhören. Im ausgeprägten Fall können das zwei voneinander unterscheidbare Stimmen sein, die sich auch miteinander (meist mit Bezug zum Patienten) unterhalten, oder (meist abwertende) Kommentare über die betroffene Person abgeben. Gelegentlich können diese Stimmen auch zu Handlungen auffordern, die für den Betroffenen wesensfremd sind.
Taktile Halluzinationen können das Gefühl beinhalten, Tiere würden über die Haut kriechen und mit der entsprechenden fehlerhaften gedanklichen Verarbeitung dann zum Dermatozooenwahn beitragen.
Visuelle oder optische Wahrnehmungstäuschungen können von einfachen Veränderungen des tatsächlich Gesehenen bis zu ganzen Szenen mit mehreren Personen reichen. Veränderte Farbwahrnehmungen, veränderte Größenwahrnehmungen, Verzerrungen von real vorhandenen Objekten sind schon im akuten Rauschzustand bei Einnahme von psychodelischen Substanzen, so auch Cannabis möglich („eine Optik haben…“). Szenische Halluzinationen sind auch für gewisse neurodegenerative Erkrankungen typisch.
Olfaktorische-, also den Geruchssinn betreffende Sinnestäuschungen können unter anderem durch Substanzgebrauch, aber auch durch pathologische Veränderungen der entsprechenden Gehirnanteile (Epilepsie, Tumor) vorkommen.
Eine Wahnvorstellung ist eine feste Überzeugung von Tatsachen, die der allgemein akzeptierten Realität widersprechen. Dabei existieren weder plausible Argumente, noch Beweise für die Richtigkeit des Wahninhaltes. Es besteht auch kein besonderes Bedürfnis die von der allgemein akzeptierten Realität abweichende Sichtweise zu begründen.
Während ausgeprägte Wahnvorstellungen (z.B. mit einer aufwändigen Apparatur von Nachbarn, oder einem fremden Geheimdienst abgehört zu werden) leicht erkannt werden, werden subtilere Formen oft erst im ausführlichen Gespräch auffällig. Beispielsweise kann das Gefühl bestehen, in der U-Bahn genauer angeschaut zu werden. Dann kommen Gedanken dazu wie „was denkt sich der über mich…?“ bis hin zu der Überzeugung „der“ weiß etwas, z.B. „dass ich Cannabis konsumiere“.
Gedankenstörungen (Formale Denkstörungen) zeigen sich in Schwierigkeiten, klare und zusammenhängende Gedanken zu haben, die das Denkziel auch erreichen. Das Spektrum zeigt sich im Gespräch von außergewöhnlicher Umständlichkeit bis zu einem Wortsalat, in dem der Gesprächspartner keinen roten Faden mehr erkennen kann.
Wie das Denken, kann auch das Verhalten desorganisiert sein. Das äußert sich in einer beeinträchtigten Fähigkeit, alltägliche Aufgaben zu planen oder auszuführen.
Die verminderte emotionale Ausdrucksfähigkeit, verringerte soziale Interaktion und Motivation, die bei Psychosen auftreten können, werden als Negativ-Symptomatik bezeichnet.
Innerhalb eines bio-psycho-sozialen Modelles gibt es verschiedene Faktoren, die eine Psychose ermöglichen, oder begünstigen. Cannabis ist bei vulnerablen Menschen einer davon.
Es wird mehrheitlich davon ausgegangen, dass besonders „vulnerable“ Menschen, also Menschen mit einer gewissen „Neigung“ eine cannabisinduzierte Psychose entwickeln können.
Die Familienanamnese bietet dabei zweifellos wertvolle Anhaltspunkte. Wenn also innerhalb der Familie Menschen an einer Psychose leiden, ist die Wahrscheinlichkeit selbst eine Psychose zu entwickeln, z.B. als Folge von Cannabiskonsum, größer.
In der Praxis ist dieser Umstand immerhin interessant. So muss etwa Menschen mit Psychosen in der Familiengeschichte noch dringender abgeraten werden Cannabis zu konsumieren, als Menschen, mit einer negativen Familienanamnese. Außerdem ist die Verwendung von cannabisbasierten THC haltigen Medikamenten in diesem Fall noch kritischer zu hinterfragen.
Allerdings ist der Umkehrschluss „keine Psychose in der Familie, also ist keine Psychose durch Cannabiskonsum zu erwarten“ nicht zulässig.
Auch früher Konsumbeginn und die Höhe des Konsums spielen in diesem Zusammenhang eine Rolle.
Unter den weit über hundert definierten Inhaltsstoffen der Hanfpflanze sind THC (delta-9-Tetrahydrocannabinol) und CBD (Cannabidiol) die am besten untersuchten. Dabei wird das psychotrope THC (und THC artig wirkende Stoffe) als psychosefördernd und das CBD als antipsychotisch eingestuft.
Der durch Zucht und Bedingungen der Kultivierung immer höhere THC-Gehalt der konsumierten Pflanzen, der Zusatz von synthetisch-chemischen THC-artig wirkenden Substanzen und der für den Konsumenten nicht abschätzbare tatsächliche THC-Gehalt erhöhen das Risiko.
CBD wirkt zwar antipsychotisch, hat aber in der Routinebehandlung von Patienten mit Psychosen derzeit keine Bedeutung.
Auch jenseits der strengen Kriterien anerkannter Diagnosesysteme (z.B.: ICD-10; ICD-11, DSM) kommt es durch Cannabis zu gesundheitlichen und sozialen Gefahren, Kosten und Problemen für den einzelnen Konsumenten und die Allgemeinheit.
Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 0,3% wird in Österreich als Suchtmittel eingestuft. Damit ist es nicht möglich es legal für den Konsum zu erwerben, zu besitzen oder es weiterzugeben (§27 SMG).
Risikoreicher bzw. hochfrequenter Cannabiskonsum
Wann Cannabiskonsum individuell risikoreich ist, muss individuell abgeschätzt werden.
Jedenfalls gibt es auch vor dem Erreichen der diagnostischen Kriterien für einen „schädlichen Gebrauch von Cannabis“, oder einem „Abhängigkeitssyndrom von Cannabis“ Konsummuster, die nicht risikoarm sind.
Zur ersten Beurteilung werden die Frequenz des Konsums (6-19xpro Monat/mehr als 20xpro Monat) und ein Punktewert im CAST (Cannabis Abuse Sceening Tool) herangezogen.
Inhaltsstoffe von Cannabis sind plazentagängig und beeinflussen Embryo bzw. Fötus.
Das Risiko für ein niedriges Geburtsgewicht und die Notwendigkeit einer neonatalen intensivmedizinischen Behandlung des Neugeborenen steigen mit dem Cannabiskonsum der Schwangeren.
Langzeitfolgen für die Entwicklung und den Lebensweg des Kindes sind zu erwarten. Der Forschungsstand ist für die abschließende Beurteilung dieses komplexen Themas noch nicht ausreichend.
Kognitive Leistungen wie Gedächtnis und Merkfähigkeit, Aufmerksamkeit, Psychomotorik und Impulskontrolle werden durch den Konsum von Cannabis sowohl akut als auch chronisch negativ beeinflusst.
Insbesondere bei Jugendlichen Konsumenten sind die Gefahren einer negativen Beeinflussung der Gehirnleistung hoch. Es muss auch von dauerhafter Schädigung ausgegangen werden, auch wenn die wissenschaftlichen Beweise dafür noch nicht ausreichend sind.
Die Wahrscheinlichkeit eine Psychose zu entwickeln ist bei Cannabiskonsumenten abhängig von der konsumierten Menge höher, als bei Menschen, die kein Cannabis konsumieren. (Als Richtwert darf eine Risikoerhöhung auf das Doppelte angenommen werden.)