Die Anwendung von narkotischen Naturstoffen reicht bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurück.
Schlafschwämme
zur Narkose, auch für chirurgische Zwecke sind in Europa vor allem
eine mittelalterliche Errungenschaft.
Die führende
Zutat ist stets der Schlafmohn (Papaver somniferum).
Eine Statue einer
Mohngöttin aus Kreta aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert belegt
etwa den Umgang der Menschen mit der Pflanze zu dieser Zeit, sowie
wohl auch die Wichtigkeit.
Auch Galen
(129-199 n. Chr.) beschreibt die Verwendung von Opium (aus Papaver
somniferum) aber auch Alraune (Mandragora officinarum) und
Bilsenkraut (hyoscyamus nigra) zum Zwecke der
Schmerzlinderung. Bei Galen ist auch eine Warnung vor Missbrauch und
unkritischer Anwendung vorhanden, sowie der Hinweis, dass diese
Arzneien die Ursache der Erkrankung nicht beseitigen.
Nach Galen, ganz
im Sinne der Humorallehre, würden die Hypnotika dem Körper Kälte
zuführen. Bei einem Übermaß an Kälte würde es zum Erliegen der
Körperfunktionen und zum Tod des Patienten kommen. Dies könne man
durch erhitzende Arzneien hintanhalten. Nun haben ja Tropanalkaloide
(Inhaltsstoffe vieler Nachtschattengewächse) erwärmende Qualitäten
(z.B. wird die Haut heiß und trocken bei höheren Dosierungen).
Tatsächlich könnte man die durch Opioide (Inhaltsstoffe des
Schlafmohns) hervorgerufenen Wirkungen wie Verlangsamung des
Herzschlages oder Unterdrückung des Atemantriebs als ein Überwiegen
der Kälte, bzw. Mangel an Hitze verstehen. Somit wäre dann die
Beigabe der Solanaceen (Bilsenkraut, Alraune, Tollkirsche) als Mittel
gegen die Nebenwirkungen zu erklären.
Das entspricht in
erstaunlicher Weise auch dem Vorgehen in der modernen Medizin.
Narkosemittel (übrigens gehören die Opioide ja immer noch zu den
Standardnarkosemitteln) können eine Verlangsamung des Herzschlages
bewirken, ein Mittel der Wahl ist in solchen Fällen immer noch die
Gabe von Atropin (aus der Tollkirsche).
Als ich mich
erstmals mit Schlafschwämmen beschäftigte, war mir zunächst nicht
klar, warum stets Solanaceen darin enthalten waren. Eine ausgeprägt
analgetische Wirkung in geringer Dosierung war mir nicht bekannt.
Dass die bekannten halluzinatorischen Wirkungen in hohen Dosierungen
erwünscht gewesen wären, kann ich mir nicht vorstellen.
Perioperativ konnte das ja nicht förderlich sein. Erst der Hinweis
bei Galen, dass erhitzende Zutaten die kühlende Wirkung für den
Patienten weniger schädlich macht, verleiht dieser Rezeptur ihren
eigentlichen Sinn. Dieser Sinn ist sowohl aus Sicht des
Humoralpathologen, wie auch aus Sicht der heutigen Medizin gegeben
und nachvollziehbar.
Zumindest im
Mittelalter war eine Art Vollnarkose bekannt. Die Verabreichung der
dazu nötigen Medikamente erfolgte in Form von Schlafschwämmen
(Plural (gebräuchlich):Spongia somnifera; Singular: Spongium
somniferum).
Die Herstellung
von Schlafschwämmen erfolgt durch das Tränken von Schwämmen mit
den Alkaloiden der Pflanzen und anschließendes Trocknen.
Zur Anwendung
wird er wieder befeuchtet und vor den Mund und die Nase des Patienten
gelegt.
Neben dem
Hauptinhaltsstoff (Alkaloide des Schlafmohns/Papaver somniferum)
und den Alkaloiden der Nachschattengewächse (Alraune/Mandragora
officinalis; Bilsenkraut/Hyoscyamus niger;
Tollkirsche/Atropa belladonna) wurden auch der Saft von
Maulbeeren, Schierling/Conium maculatum, Efeu/Hedera helix,
Gartenlattich/Latuca sativa und die Früchte des
Seidelbastes/Daphne mecereum verwendet.
Die
Haupteinsatzgebiete des Schlafschwammes waren vor allem Narkosen,
daneben wurde er aber auch, wie der Name schon sagt, bei
Schlaflosigkeit verwendet.
Zur Unterstützung
des Aufwachens wurde der weniger bekannte „Weckschwamm“
verwendet.
Mit dem Ende des Mittelalters kam der Schlafschwamm aus der Mode.
Neben der zweifellos gegebenen schweren Steuerbarkeit der Wirksamkeit
des Schlafschwamms werden wohl auch weltanschauliche und kulturelle
Änderungen in der Renaissance dafür verantwortlich gewesen sein.