Zur Therapie der nichtorganischen Insomnie wird als Therapie der ersten Wahl die kognitive Verhaltenstherapie für Insomnien (KVT-I) empfohlen.
Eine medikamentöse Therapie kann angeboten werden, wenn die KVT-I nicht hinreichend effektiv war, oder nicht durchführbar ist.
Es ist eine Tatsache, dass die Insomnie eine häufige und oft chronische Erkrankung ist. Trotz gewisser Vorbehalte wird daher eine medikamentöse Langzeittherapie oft notwendig sein.
Es gibt in Österreich erhältliche, zur Therapie der Schlafstörung zugelassene Medikamente (Benzodiazepinrezeptoragonisten (sog. „Z-Substanzen“), Benzodiazepine und das Neuroleptikum Prothipendyl (Dominal forte (R)), sowie weitere zur Therapie der Schlafstörung nicht zugelassene aber wirksame und etablierte Medikamente (Neuroleptika, Antidepressiva).
Außerdem beanspruchen Heilpflanzen und daraus hergestellte Zubereitungen einen Einsatz in dieser Indikation (z.B.: Hopfen, Baldrian)
All diesen Substanzen ist gemeinsam, dass in Leitlinien eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien aufgrund der Datenlage und möglicher Nebenwirkungen/Risiken derzeit nicht ausgesprochen wird.
Diese Aussagen aus Leitlinien haben ihre Berechtigung. Wenn man sie genau liest ergibt sich für die Praxis im Umkehrschluss das Folgende:
Wenn die KVT-I nicht ausreichend wirksam ist, oder nicht zum Einsatz kommen kann, sind Schlafmedikamente zur Therapie von Schlafstörungen angezeigt.
Es gibt dafür zugelassene Medikamente (Z-Substanzen, Benzodiazepine, Prothipendyl), die jedenfalls effektiv in der Therapie von Schlafstörungen sind.
Die Langzeittherapie mit Hypnotika ist nicht generell empfohlen, sondern erfordert eine individuelle Indikationsstellung und einen fix vereinbarten regelmäßigen persönlichen Kontakt mit dem verschreibenden Arzt.
Vor der ersten Verschreibung ist die Diagnose zu sichern, sowie zugrundeliegende oder komorbide Erkrankungen, vor allem psychiatrische Erkrankungen zu hinterfragen und in der Nutzen/Risikobeurteilung zu berücksichtigen. Im Verlauf sind Nebenwirkungen und gegebenenfalls die Entwicklung einer Abhängigkeit zu beurteilen und die Medikation entsprechend anzupassen.
Die Benzodiazepinrezeptoragontisten „Z-Substanzen“ haben eine sehr gut schlafanstoßende Wirkung. Sie sind gut verträglich und wirken kaum in den nächsten Tag hinein („overhang“). Sie haben kaum zusätzliche psychotrope Wirkungen (angstlösend, muskelrelaxierend, usw.) und nur geringes Suchtpotenzial. Sie sind zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen (bis 6 Wochen)zugelassen und zu empfehlen.
Die Langzeitbehandlung von Schlafstörungen mit Z-Substanzen soll individuell erwogen werden, wenn der Bedarf besteht. Dabei ist in regelmäßigen Arzt-Patient-Kontakten vor allem auf das ohnehin geringe Risiko der Entwicklung einer Abhängigkeit zu achten. Sollten Zeichen einer Abhängigkeitsentwicklung (z.B. unkontrollierte Dosissteigerung) bestehen, müsste die Therapie mit Z-Substanzen beendet werden.
Die schlafanstoßende Wirkung der Benzodiazepinrezeptoragonisten/Z-Substanzen beruht auf einer Bindung an der Alpha1-Untereinheit des GABA A-Rezeptors. Sie sind reine Schlafmittel (Hypnotika), während Benzodiazepine auch als Beruhigungsmittel (sowie in der Anästhesie und als Antiepileptika) eingesetzt werden.
Durch die selektivere Bindung an die Alpha1-Untereinheit des GABA A-Rezeptors im Vergleich mit Benzodiazepinen betrifft das Wirkungsprofil vor allem die Schlafförderung, weniger die anderen Wirkungen der Benzodiazepine (anxiolytisch, antikonvulsiv und muskelrelaxierend). Dadurch soll die Gefahr der Abhängigkeit und anderer Nebenwirkungen geringer sein.
Z-Substanzen haben ihren Namen davon, dass sie alle mit „Z“ beginnen (z.B.: Zoldem, Zolpidem, Zopiclon und davon abgeleitet Es-Z-opiclon).
Die Z-Substanzen sind die Substanzen der 1. Wahl zur medikamentösen Therapie von Schlafstörungen, wenn keine andere psychiatrische Erkrankung besteht.
Benzodiazepine werden eher dann eingesetzt, wenn noch weitere Symptome, außer Schlafstörungen, wie z.B. Angst, Nervosität, Unruhe bestehen.
Benzodiazepine sind in der Therapie von Schlafstörungen wirksam. Die Zulassung zur Kurzzeittherapie von Schlafstörungen ist bei einigen Substanzen (z.B.: Flunitrazepam, Lorazepam, Nitrazepam, Triazolam) gegeben.
Besonders geeignet sind Benzodiazepine, wenn zusätzliche psychische Symptome, wie Angst und Nervosität beeinflusst werden sollen.
In der letzten S-3 Leitlinie (Gültigkeit bis 30.12.2022) „Insomnie im Erwachsenenalter“ werden Sie nicht generell zur Langzeittherapie von Schlafstörungen empfohlen, da gewisse Risiken in der Langzeitanwendung bestehen. Dabei kann es zu Gewöhnung und Abhängigkeit kommen.
Insbesondere bei den Substanzen mit längerer Halbwertszeit kann es zum „overhang“, einem Nachwirken am Tag und damit einer Beeinträchtigung des psychosozialen Leistungsvermögens kommen. Das spricht beim Einsatz für Schlafstörungen für die Bevorzugung von Substanzen mit kürzerer Halbwertszeit.
Insbesondere bei älteren, an sich schon sturzgefährdeten Menschen kommt es zu einer Erhöhung der Sturzgefahr.
Zulassung zur Kurzzeitbehandlung von Schlafstörungen:
• Flunitrazepam (HWZ 16-35 h) Rohypnol (R)
• Lorazepam (HWZ 12-16 h) Temesta (R) Mittlere Halbwertszeit
• Nitrazepam (HWZ 25-35 h) Mogadon(R) Lange Halbwertszeit
• Triazolam (HWZ 1,4-4,6 h) Halcion(R) Kurze Halbwertszeit
Keine Zulassung zur Behandlung von Schlafstörungen:
• Alprazolam/Xanor(R), zahlreiche Generika (HWZ 12-15 h) Mittlere Halbwertszeit
• Diazepam/Gewacalm(R), Psychopax (R) (HWZ 20-50(bis 100) h) lange Halbwertszeit
• Oxazepam/Praxiten(R), Anxiolit(R) Mittlere Halbwertszeit
In die Beurteilung gehen neben wissenschaftlichen Daten auch persönliche Erfahrungen und Meinungen ein.
Rohypnol(R) wird von Patienten immer wieder als gut wirksam in der Therapie von Schlafstörungen und nebenwirkungsfrei beschrieben.
Rohypnol(R) und das mittlerweile nicht mehr verfügbare Somnubene(R) (ebenfalls Flunitrazepam) waren jahrelang ein großes Problem in der Drogenszene. Es wurde aufgrund psychotroper Wirkungen in extrem hohen Dosen von Drogenabhängigen eingenommen und musste in immer noch hohen Dosierungen ärztlich verschrieben werden, weil sonst eine Entzugssymptomatik auftrat.
Es gab plausible pharmakologische Erklärungsversuche, warum gerade Flunitrazepam in dieser Szene eine so große Rolle spielte. Bei solchen Phänomenen sind aber immer auch nicht pharmakologische, Rahmenbedingungen wesentlich und man kann letztlich die übermäßige Verbreitung von Flunitrazepam im Drogenbereich nicht sicher erklären.
Zusammenfassend kann Flunitrazepam ein gutes Schlafmedikament für viele Menschen sein und muss natürlich nicht zwangsläufig zu Dosissteigerung und Abhängigkeit führen. Aufgrund der hohen Verbreitung in der Drogenszene in Wien in jüngerer Vergangenheit und meinen persönlichen Beobachtungen, sehe ich persönlich es aber als Medikament der letzten Wahl an.
Temesta (R) ist ein gutes, lange bewährtes Benzodiazepin, das sowohl gegen Anspannungszustände, Unruhe und Angst, als auch als Schlafmittel eingesetzt wird.
Bei der mittleren Halbwertszeit ist mit einer ausreichend langen Wirksamkeit für mehrere Stunden Nachtschlaf zu rechnen. Die Nachwirkung in die Wachzeit wird gering sein und eine Kumulation wird nur in geringem Ausmaß auftreten. Lorazepam wird nicht über das Cytochrom P-450 System abgebaut.
Mogadon(R) ist ein gutes, lange bewährtes Benzodiazepin, das eine Zulassung für die Kurzzeittherapie von Schlafstörungen hat und daher auch in dieser Indikation angewendet werden kann.
Aufgrund der langen Halbwertszeit besteht eine gegenüber Substanzen mit kürzerer Halbwertszeit erhöhte Gefahr der Nachwirkungen in der Wachzeit und somit Derhythmisierung des Schlafes. Man ist dabei tagsüber nicht hellwach und daher zur Schlafenszeit auch nicht so deutlich wohlig müde. Bei täglicher Einnahme kann es darüber hinaus zur Kumulation kommen. Das heißt es wird bis zu einem gewissen Grad immer mehr Substanz im Körper angesammelt.
Die lange Halbwertszeit kann auch ein Vorteil sein, wenn innere Anspannung, Unruhe und Angst auch während der Wachzeiten bekämpft werden sollen. Nitrazepam/Mogadon(R) hat aus diesem Grund auch eine gewisse Tradition im Alkoholentzug.
Als reines Schlafmittel ist es aufgrund der langen Halbwertszeit weniger geeignet.
Halcion(R) ist ein gutes, lange bewährtes Schlafmittel, bei dem aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit kaum mit Overhang (weiterwirken während der Wachphase) gerechnet werden muss.
Es hilft gut beim Einschlafen und fördert in der Praxis oft einige Stunden guten Schlafes. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit, kann die Wirkung aber auch schon vor Ende des angestrebten Nachtschlafes nachlassen. Besonders bei alten Menschen, mit bereits vorbestehender Hirnschädigung ist dabei mit der Gefahr von Verwirrtheit in den frühen Morgenstunden zu rechnen.
Sehr gutes, bewährtes Benzodiazepin mit mittlerer Halbwertszeit. Es ist für die Behandlung von Angst- und Anspannung zugelassen und geeignet. Wie alle Benzodiazepine ist es praktisch auch schlaffördernd wirksam. Aufgrund der fehlenden Zulassung als Hypnotikum verordne ich es in dieser Indikation nicht primär. Wenn es aber aufgrund anderer Symptome (vor allem Angst) ohnehin schon verordnet ist und auch im individuellen Fall den Schlaf sehr gut verbessert, ist gegen die Anwendung dafür natürlich nichts einzuwenden.
Für einige Indikationen geeignetes Benzodiazepin. In der Praxis des niedergelassenen Arztes vor allem als Beruhigungsmittel etabliert. Das große Problem von Diazepam ist die lange und interindividuell unterschiedliche Halbwertszeit, auch von aktiven Metaboliten. Daher kann es zur Kumulation kommen. Es kommt also zu unberechenbaren Wirkungen und die an sich schon bei Benzodiazepinen vorhandenen Probleme wie kognitive Beeinträchtigungen, Müdigkeit und Sturzgefahr (vor allem bei älteren, an sich schon beeinträchtigten Menschen) ist besonders gegeben.
Als reines Schlafmittel ist es weder zugelassen, noch geeignet.
Die lange Halbwertszeit könnte theoretisch bezüglich der Suchtentwicklung ein Vorteil sein. In der Praxis zeigt sich das allerdings nicht.
Ein paar Worte zu Psychopax Tropfen(R): Ich verwendete diese früher aufgrund zweier theoretischer Überlegungen in der Entzugsbehandlung von Benzodiazepinen. Die Überlegungen waren, dass die lange Halbwertszeit günstig wäre und dass es ja möglich wäre, immer wieder nur einen Tropfen weniger zu nehmen, ohne dass das überhaupt pharmakologisch spürbar sein würde. In der Praxis hat sich aber überwiegend gezeigt, dass es zur Anwendung von ein paar Tropfen mehr, statt einem weniger, gekommen ist, was letztlich häufig zu klinisch relevanter Dosissteigerung führte. Außerdem führte die lang Halbwertszeit auch bei jungen Patienten zu einer beobachtbaren Beeinträchtigung tagsüber.
Zusammenfassend verwende ich persönlich aufgrund meiner Erfahrungen und aufgrund der Kumulationsgefahr kaum Diazepam. Insbesondere Psychopaxtropfen halte ich im Allgemeinen für ungeeignet. Ausnahmsweise könnten sie einmal in einer Akutsituation aufgrund der Verabreichung in Tropfenform zur einmaligen Anwendung in Frage kommen. Als Hypnotikum für die nichtorganische Insomnie ist Diazepam ungeeignet.
Bewährtes angst- und spannungslösendes Beruhigungsmittel, von mittlerer Wirkdauer, das wie alle Benzodiazepine auch schlaffördernd wirkt, aber in dieser Indikation nicht zugelassen ist.
Der Wirkungseintritt ist etwas langsamer, als z.B. bei Lorazepam, was die Eignung als Schlafmittel, abgesehen von der nicht gegebenen Zulassung theoretisch in Frage stellt.
Wenn jemand aus anderer Indikation Oxazepam nimmt und damit auch eine gute schlaffördernde Wirkung erzielt, ist es natürlich im individuellen Fall auch dafür geeignet.
Neuroleptika sind zur Behandlung von Psychosen geeignet. Manche der Antipsychotika haben eine relevant beruhigende Wirkung, die man sich in der Behandlung von Schlafstörungen zunutze machen kann. Explizit zur Behandlung von „schweren Einschlafstörungen“ zugelassen ist Prothipendyl/Dominal(R). Ebenfalls viel in dieser Indikation verwendet wird Quetiapin.
In den Leitlinien wird dazu angegeben, dass in Anbetracht der unzureichenden Datenlage für Antipsychotika in der Indikation Insomnie und angesichts ihrer Nebenwirkungen ihre Verwendung in der Insomniebehandlung nicht empfohlen wird. Eine Ausnahme stellen gerontopsychiatrische Patienten dar.
Diese Angaben aus den Leitlinien decken sich mit meinen Erfahrungen. Einzelne Patienten profitieren schon von Neuroleptika in der Behandlung der Insomnie. Dann sind diese Medikamente sehr gut geeignet. Vor allem hat Prothipendyl/Dominal(R) kein Suchtpotenzial. In manchen Patientengruppen beobachtet man gelgentlich trotz des eigentlich fehlenden Abhängigkeitspotenzials eine unkontrollierte Einnahme (vor allem Quetiapin bei Suchtpatienten). Viele Patienten erfahren durch die Anwendung von Neuroleptika aber keine Verbesserung der Lebensqualität, so dass ich sie als Medikamente der 2. Wahl in der Insomniebehandlung ansehe.
Es hat eine lange Tradition sedierende Antidepressiva, allen voran Trazodon/Trittico(R) und Mirtazapin in der Behandlung der Insomnie einzusetzen.
Wenn die Insomnie ein Symptom der Depression ist, oder zumindest eine Komorbidität (also sowohl eine depressive Störung, als auch eine Insomnie) vorliegt, soll in der Auswahl des Antidepressivums die schlaffördernde Wirkung in die Überlegungen einbezogen werden.
Zur Behandlung der nichtorganischen Insomnie sind Antidepressiva aber weder zugelassen, noch in Leitlinien empfohlen. („Die Kurzzeitbehandlung von Insomnien mit sedierenden Antidepressiva ist effektiv, wobei Kontraindikationen zu Beginn und im Verlauf geprüft werden sollen. Eine generelle Empfehlung zur Langzeitbehandlung von Insomnien mit sedierenden Antideprssiva kann aufgrund der Datenlage und möglicher Nebenwirkungen/Risiken derzeit nicht ausgesprochen werden.“ S3-Leitlinie Nicht erholsamer Schlaf/Schlafstörungen Kapitel „Insomnie bei Erwachsenen“ (AWMFRegisternummer 063-003), Update 2016“).
Meine persönlichen Erfahrungen entsprechen genau dieser Empfehlung. Für mich sind sedierende Antidepressiva in der Behandlung von Insomnien mögliche Medikamente zweiter Wahl.
Melatonin ist zur Regulierung von Schlaf-Wach-Rhythmusstörungen (Stichwort „Jet-lag“) gebräuchlich. In der Therapie von Insomnien, wird es aufgrund von geringer Wirksamkeit nicht generell empfohlen, was meinen Erfahrungen entspricht.
Meine persönlichen Erfahrungen mit Baldrian sind gut. Ich verordne ihn vor allem in Form von Species sedativae ÖAB/Beruhigender Tee. Oft wird eine allgemeine, gutes Ein- und Durchschlafen fördernde, Entspannung berichtet. Die Wirkstärke ist vermutlich nicht so groß, wie die synthetischer Schlafmittel. Ich verwende ihn daher als Basismittel über einen längeren Zeitraum, wenn möglich zusätzlich zu nichtmedikamentösen Methoden, oder ergänzt durch ein Hypnotikum „bei Bedarf“.
Obwohl es durchaus positive Studienergebnisse für den Einsatz von Baldrian bei Insomnien gibt, kommt die entsprechende Leitlinie zu dem Schluss, dass aufgrund der unzureichenden Datenlage keine Empfehlung zum Einsatz in der Insomniebehandlung gegeben werden kann.