Die Erstbeschreibung von Papaver somniferum L. erfolgte durch Carl von Linné.
Die Art Papaver somniferum/Schlafmohn gehört zur Gattung Papaver/Mohn aus der Familie der Papaveraceae/Mohngewächse.
Die Familie der Papaveraceae wird in die Unterfamilien Papaveroideae/Mohnartige (zahlreiche Staubblätter) und Fumaroideae/Erdrauchartige (vier oder sechs Staubblätter) unterteilt.
Aus der Unterfamilie der Papaveroideae/Mohnartige sind bei uns verschiedene Arten der Gattung Papaver/Mohn und Chelidonium majus/Schöllkraut bekannt.
Chelidonium maius/Schöllkraut hat eigenständige medizinische Bedeutung, ist aber aufgrund von möglicher leberschädigender Wirkung aus der phytotherapeutischen Mode gekommen
In unseren Alpen ist Papaver alpinum/Alpenmohn anzutreffen.
Die bei uns vorkommenden Mohngewächse sind krautig und enthalten Milchsaft, der beim Schlafmohn weiß, beim Schöllkraut gelb ist. Der Milchsaft von Papaver sominferum/Schlafmohn ist das Ausgangsprodukt der Opiumerzeugung und Herstellung von Opiaten.
Papaver somniferum/Schlafmohn ist eine ein- oder auch mehrjährige krautige aufrechte Pflanze und wird bis zu 1,5 m hoch. Die überlaufenen behaarten Stängel sind meist unverzweigt. Die beeindruckenden üppigen Blüten stehen aufrecht am Ende des Stängels.
Es wird eine Pfahlwurzel gebildet.
Der Stamm ist ein runder, aufrechter, überlaufener, behaarter Stängel mit einer Länge von bis zu 1,5 m, meist kürzer.
Wechselständige, einfache 5 bis 20 cm lange, mehr oder weniger gelappte und am Rand gezähnte Laubblätter.
Die Blütenhülle besteht aus zwei früh abfallenden Kelchblättern und zwei Kreisen mit je zwei, also insgesamt vier Kronblättern. Allerdings gibt es Zierformen mit mehreren Kronblättern.
Die Staubblätter sindzahlreich.
Der Fruchtknoten ist oberständig und coenokarp aus zahlreichen Fruchtblättern zusammengesetzt. Die Narben verlaufen auf den Verwachsungsnähten der Fruchtblätter.
Die Frucht von Papaver somniferum/Schlafmohn ist eine Kapselfrucht, nämlich eine Porenkapsel. Sie enthält zahlreiche sehr kleine nierenförmige Samen. Die Kapsel öffnet sich unter dem Deckel, bzw. sind unter dem Deckel kleine Löcher vorhanden, durch die die Samen aus der Kapsel geschüttelt werden können.
Es besteht allgemeine Übereinkunft darüber, dass Mohn, wohl auch als Nahrungsmittel, vor allem aber als Heil- und Rauschmittel seit mehreren tausend Jahren in menschlicher Verwendung ist. Die Herkunft dürfte im Mittelmeerraum liegen.
Mohnsamen als wichtige Artefakte sind augrund ihrer geringen Größe schwer zu finden, was genaue Aussagen zur erstmaligen Verwendung erschweren.
Eine Statue einer Mohngöttin aus Kreta aus dem 13. vorchristlichen Jahrhundert belegt etwa den Umgang der Menschen mit der Pflanze zu dieser Zeit, sowie wohl auch die Wichtigkeit.
Jedenfalls war Opium auch in der europäischen Geschichte seit der Antike als wichtiges schmerzlinderndes und psychotropes Medikament in Verwendung, wofür die nachstehenden Beispiele stehen.
Die Anwendung von narkotischen Naturstoffen reicht bis in die Anfänge der Menschheitsgeschichte zurück.
Schlafschwämme zur Narkose, auch für chirurgische Zwecke sind in Europa vor allem eine mittelalterliche Errungenschaft.
Die führende Zutat ist stets der Schlafmohn (Papaver somniferum).
Galen (129-199 n. Chr.) beschreibt die Verwendung von Opium (aus Papaver somniferum) aber auch Alraune (Mandragora officinarum) und Bilsenkraut (hyoscyamus nigra) zum Zwecke der Schmerzlinderung. Bei Galen ist auch eine Warnung vor Missbrauch und unkritischer Anwendung vorhanden, sowie der Hinweis, dass diese Arzneien die Ursache der Erkrankung nicht beseitigen.
Nach Galen, ganz im Sinne der Humorallehre, würden die Hypnotika dem Körper Kälte zuführen. Bei einem Übermaß an Kälte würde es zum Erliegen der Körperfunktionen und zum Tod des Patienten kommen. Dies könne man durch erhitzende Arzneien hintanhalten. Nun haben ja Tropanalkaloide (Inhaltsstoffe vieler Nachtschattengewächse) erwärmende Qualitäten (z.B. wird die Haut heiß und trocken bei höheren Dosierungen). Tatsächlich könnte man die durch Opioide (Inhaltsstoffe des Schlafmohns) hervorgerufenen Wirkungen wie Verlangsamung des Herzschlages oder Unterdrückung des Atemantriebs als ein Überwiegen der Kälte, bzw. Mangel an Hitze verstehen. Somit wäre dann die Beigabe der Solanaceen (Bilsenkraut, Alraune, Tollkirsche) als Mittel gegen die Nebenwirkungen zu erklären.
Das entspricht in erstaunlicher Weise auch dem Vorgehen in der modernen Medizin. Narkosemittel (übrigens gehören die Opioide ja immer noch zu den Standardnarkosemitteln) können eine Verlangsamung des Herzschlages bewirken, ein Mittel der Wahl ist in solchen Fällen immer noch die Gabe von Atropin (aus der Tollkirsche).
Als ich mich erstmals mit Schlafschwämmen beschäftigte, war mir zunächst nicht klar, warum stets Solanaceen darin enthalten waren. Eine ausgeprägt analgetische Wirkung in geringer Dosierung war mir nicht bekannt. Dass die bekannten halluzinatorischen Wirkungen in hohen Dosierungen erwünscht gewesen wären, kann ich mir nicht vorstellen. Perioperativ konnte das ja nicht förderlich sein. Erst der Hinweis bei Galen, dass erhitzende Zutaten die kühlende Wirkung für den Patienten weniger schädlich macht, verleiht dieser Rezeptur ihren eigentlichen Sinn. Dieser Sinn ist sowohl aus Sicht des Humoralpathologen, wie auch aus Sicht der heutigen Medizin gegeben und nachvollziehbar.
Zumindest im Mittelalter war eine Art Vollnarkose bekannt. Die Verabreichung der dazu nötigen Medikamente erfolgte in Form von Schlafschwämmen (Plural (gebräuchlich):Spongia somnifera; Singular: Spongium somniferum).
Die Herstellung von Schlafschwämmen erfolgt durch das Tränken von Schwämmen mit den Alkaloiden der Pflanzen und anschließendes Trocknen.
Zur Anwendung wird er wieder befeuchtet und vor den Mund und die Nase des Patienten gelegt.
Neben dem Hauptinhaltsstoff (Alkaloide des Schlafmohns/Papaver somniferum) und den Alkaloiden der Nachschattengewächse (Alraune/Mandragora officinalis; Bilsenkraut/Hyoscyamus niger; Tollkirsche/Atropa belladonna) wurden auch der Saft von Maulbeeren, Schierling/Conium maculatum, Efeu/Hedera helix, Gartenlattich/Latuca sativa und die Früchte des Seidelbastes/Daphne mecereum verwendet.
Die Haupteinsatzgebiete des Schlafschwammes waren vor allem Narkosen, daneben wurde er aber auch, wie der Name schon sagt, bei Schlaflosigkeit verwendet.
Zur Unterstützung des Aufwachens wurde der weniger bekannte „Weckschwamm“ verwendet.
Mit dem Ende des Mittelalters kam der Schlafschwamm aus der Mode. Neben der zweifellos gegebenen schweren Steuerbarkeit der Wirksamkeit des Schlafschwamms werden wohl auch weltanschauliche und kulturelle Änderungen in der Renaissance dafür verantwortlich gewesen sein.
Die Grundlage von Laudanum ist im Wesentlichen eine Opiumtinctur mit 10% Opium und 90% Südwein. Allerdings werden je nach Rezept andere Zutaten beigegeben. Unter anderem werden genannt: Bilsenkraut (Hyoscyamus niger), Alraune (Mandragora officinarum), Tollkirsche (Atropa belladonna), Safran (Crocus sativus), Zimt (Cinnamomum verum) und Nelkenpulver (Syzygium aromaticum).
Dass Kombinationen von Opium und Wein schon lange in Verwendung waren, kann mit Sicherheit angenommen werden. Bekannt ist die Verwendung unter dem Namen „Laudanum“ unter anderem bei Paracelsus (1493 – 1541), oder Thomas Sydenham (um 1670).
Der Name wird wohl seine Wurzel im lateinischen „laudare“ „loben“ haben. Andere Deutungen, wie ein Zusammenhang mit der Bezeichnung „La(b)danum“ (=Harz der Zistrose) werden diskutiert.
Laudanum war bis ins frühe 20. Jahrhundert frei verkäuflich und erfreute sich großer Beliebtheit. Medizinisch wurde es in erster Linie als Schmerzmittel, Schlafmittel, gegen Durchfall, aber auch gegen depressive Verstimmungen angewandt. Neben den Kernindikationen erfuhr die Anwendung zeitweise große Ausweitung, so dass es als eine Art Allheilmittel angesehen wurde. Allerdings wurde Laudanum auch in Randbereichen der Medizin, beziehungsweise als Rauschmittel verwendet.
Die Kombination von Opium (Alkaloid: Morphinum) und den Solanaceen Bilsenkraut/Hyoscyamus niger, Alraune/Mandragora officinarum und Tollkirsche/Atropa belladonna macht sowohl aus Sicht der überlieferten Humoralpathologie, wie auch aus Sicht der modernen naturwissenschaftlichen Medizin Sinn. Aus Sicht der Humoralpathologie würden unerwünschte Wirkungen des kühlend wirkenden Opiums mittels hitzender Bestandteile gemildert. Aber auch aus Sicht der modernen Naturwissenschaft ist es sinnvoll Opiatnebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen, Miosis, Blutdruckabfall und Bradycardie (=langsamer Herzschlag) mit Tropanalkaloiden zu begegnen.
Theriak ist eine Bezeichnung für verschiedene Arzneizubereitungen, deren Geschichte angeblich von König Mithridates IV Eupator bis in unsere Zeit reicht.
König Mithridates (um 100 v. Chr.) habe eine Arznei gegen Vergiftungen selbst erfunden, die zunächst als Mithridat bezeichnet wurde und der Vorläufer des Theriaks gewesen sein soll.
Später kam eine hohe Anzahl von Ingredienzien dazu, unter anderem Opium. Angeblich sollen Theriakrezepte bis zu 600 verschiedene Zutaten aufgewiesen haben, meist aber zumindest 60.
Wesentliche Zutaten waren Opium, Angelikawurzel, Baldiran, Honig, Wein und zu gewissen Zeiten Vipernfleisch. Bei der hohen Anzahl an Zutaten war Theriak auch sehr teuer. Eine Fälschung konnte da den Gewinn maximieren.
Um Fälschungen hintanzuhalten wurde mancherorts Theriak unter Anwesenheit von Ärzten, Apothekern und Würdenträgern in der Öffentlichkeit gebraut.
Besonderen Ruf genoss der venezianische Theriak. Da viele der nötigen Ingredienzien (z.B. Opium) über Venedig nach Europa kam, wurde Venedig zu einem Haupthersteller von Theriak. Auch die öffentliche Zubereitung wurde eingehalten.
Die verschiedenen Theriakrezepte sind einer rationalen Beurteilung durch mich eher nicht zugänglich. Vermutlich wollte man gegen jeden denkbaren Schaden ein magisches Gegenmittel beifügen. Ein Beispiel ist das Vipernfleisch gegen Schlangenbisse.
Angewendet wurde Theriak wie Galen schreibt gegen alle 3 Möglichkeiten, gegen die Gegengifte eingesetzt werden können: Gegen tödliche Gifte, gegen giftige Tiere und gegen Leiden, die infolge schlechter Diät (Lebensführung) entstehen.
Erstaunlich ist, dass man auch heute noch „Theriak“ sogar im Internet kaufen kann. Dabei handelt es sich um „Theriaka sine opio“, also ohne Opium (und vermutlich auch ohne Vipernfleisch).
Ein solches frei erhältliches Produkt hat z.B. folgende Rezeptur:
Angelikawurzel (40%), Baldrianwurzel (15%), Zimt (15%), Zitwerwurzelstock (15%), Cardamom (7,5%), Myrrhe (7,5%).
In der oralen Opioidsubstitutionstherapie werden Menschen, die von Opioiden abhängig sind dadurch behandelt, dass man ihnen einfach spezielle Opiatzubereitungen langfristig zur Verfügung stellt. Dadurch werden die ungünstigen sozialmedizinischen Aspekte der Abhängigkeit von Oioiden reduziert und der soziale und Gesundheitszustand langfristig stabilisiert oder verbessert.
Als Ursache für die Abhängigkeit von Opioiden ist sicher der Heroinkonsum führend. Weiters wichtig ist der nicht bestimmungsmäßige Gebrauch von oioidhaltigen Medikamenten. Aber eine erstaunlich starke Abhängigkeit mit Bedarf an hohen Opioiddosen kommt auch durch den Gebrauch von O-Tee zustande.
Die Zubereitung von „O-Tee“ ist einfach das Auskochen von Mohnkapseln. Meist werden diese ähnlich wie Kaffee gemahlen und etwa wie „türkischer Kaffee“ oder „griechischer Kaffee“ aufgekocht.
In diesen Zubereitungen ist soviel Opium enthalten, dass es die normalen Wirkungen entfaltet. Es wirkt insbesondere eurphorisierend, aber auch beruhigend und entspannend. Der Geschmack ist bitter.
Eine häufig Nebenwirkung bei hohen Dosen ist Brechreiz. Ein Patient sagte mir, er sei durch die Wirkung des O-Tees stark euphorisiert gewesen, allerdings habe er auch erbrochen. Das sei aber ganz leicht von statten gegangen. Man sei auf der Straße gegangen, habe nebenbei erbrochen und sie bestens gelaunt und unbeeinträchtigt weiter gegangen. Er war dann jahrelang bei mir in Substitutionstherapie.
Ein anderer Patient, der durch O-Tee opioidabhängig wurde, stammt aus Pakistan aus einer ehemals einflussreichen Familie und musste aus politischen Gründen flüchten. In Wien ging es ihm psychisch einfach schlecht und es wurde ihm geraten O-Tee als Therapie zu versuchen. Das war auch gut wirksam. Auch er benötigte zur Substituion mittlere Dosen.
Allen diesen Patienten war gemeinsam, dass sie Mohnkapseln ganz legal aus einem auf dieses Produkt spezialisierten „Bastelgeschäft“ im 2. Bezirk bezogen (soviel ich weiß in der Schmelzgasse). Dort waren säckeweise Mohnkapseln zum Kauf angeboten, sonst nichts. Ein Schild unterrichtete aber über den Zweck „Bastelware, zu Dekorationszwecken“. Dieses Geschäft gab es, als ich 2002 mit der Substitutionstherapie begann schon und es wurde noch jahrelang mehr oder weniger unbehelligt betrieben. Vor ein paar Jahren wurde es dann zugesperrt. Gerüchteweise war es eine behördliche Schließung.
Hier möchte ich die Zusammenfassung einiger Gespräche mit einem meiner Patienten wiedergeben.
Er stammt aus dem Iran. Sein Großvater war einer der größten Opiumproduzenten des Landes. Sein Landbesitz war riesig. Auch mein Patient hatte als einer von etwa 80 erbberechtigten Familienangehörigen aus dem zerschlagenen Besitz noch ein so großes Stück Land geerbt, dass es in Österreich einem recht großen Bauernhof entsprechen würde. Er gehörte dem Adel an. Alle Angehörigen der Familie, aber auch allgemein die Landbewohner konsumierten Opium. Es war völlig normal. Natürlich war nach unseren Kriterien die „Abhängigkeit von Opioiden“ eher die Regel als die Ausnahme. Da dieser Konsum aber kulturell völlig integriert war, war er auch kaum ein Problem.
Es war völlig normal Opium zu besitzen und zu verwenden, sowie weiter zu verschenken. Mein Patient vergleicht das mit einem Glas selbstgemachter Marmelade, die man etwa bei einem Besuch der anderen Familie mitbringt.
Es war auch normal, etwa dem ausgewanderten Familienmitglied Opium in die Ferne zu schicken. Ein Unrechtbewusstsein war da natürlich nicht gegeben. Man gab etwa einem Lastwagenfahrer ein Paket mit Opium mit, das der dann in Österreich dem Adressaten übergab, ohne dabei im Geringsten etwas daran zu finden. Finanzielle Interessen waren damit nicht verbunden.
Die Erträge waren damals auch noch sehr gut. Inzwischen gibt es mehr staatliche Regulation und vor allem die zunehmende Trockenheit durch die Klimaveränderung haben den Anbau in der Herkunftsgegend des Herrn unrentabel gemacht. Der Iran war früher sehr fruchtbar und eignete sich besonders für den Mohnanbau, da das Klima sehr sonnig war und es aber auch ausreichend Wasser gab. Inzwischen ist es nur mehr heiß und trocken.
Die Gewinnung von Opium aus dem Mohn erfolgte händisch. Genau so, wie man das allgemein weiß. Am einen Tag wird die noch nicht ganz reife Kapsel angeritzt. Die Verletzung muss genau richtig tief sein. Tief genug, dass viel Milchsaft austritt, aber nicht zu tief, weil sonst der Milchsaft nicht an die Oberfläche, sondern in die Kapsel eintreten würde. Am nächsten Tag streift man das Rohopium von der Kapsel ab.
Das war vor allem Frauenarbeit. Die Vorarbeiterinnen, die die genauen Kenntnisse und Fertigkeiten hatten, waren hochangesehene gut bezahlte Fachkräfte.
Zwar gab es auch schon früher eine Art Regulation. Die an die Regierung abgegebenen Mengen wurden genau abgerrechnet und dokumentiert, aber was mit den übergebliebenen Mengen passierte, wurde nicht weiter hinterfragt („Marmelade als Mitbringsel“, Eigenbedarf für die ganze Familie, vielleicht regionaler Handel „Bauernhofgarantie“.)