Die Lyme-Borreliose ist die häufigste durch Zecken übertragene Infektionskrankheit in Europa. Eine neurologische Manifestation kommt bei 3-15% der Infektionen vor und kann sich als Polyradikulitis, Meningitis sowie selten als Encephalomyelitis manifestieren.
Die Erkrankung ist durch Antibiotika behandelbar.
Wie die meisten Infektionskrankheiten kann sie auch ohne Antibiotikabehandlung ausheilen.
Das frühzeitige Entfernen von Zecken ist eine vorbeugende Maßnahme, da eine Übertragung von Borrelien erst einige Stunden nach dem Stich erfolgt.
Endemisch verbreitet. (In Amerika: Borrelia burgdorferi, in Europa auch: B. afzelii, B. bavarensis, B. garinii, B. spielmanii).
Bei den vielen Zahlen ist es sinnvoll diese in die Alltagssprache zu übersetzen.
Obwohl viele Zecken mit Borrelien infiziert sind, ist es nach einem Zeckenstich ziemlich unwahrscheinlich an einer Borreliose zu erkranken (1%). Da die Übertragung auch erst viele Stunden nach dem Stich möglich ist, ist es besonders unwahrscheinlich nach einem übersehenen Zeckenstich zu erkranken.
Immerhin ist die Wahrscheinlichkeit einer manifesten Erkrankung nach einem Zeckenstich um 1%.
Dabei sind aber alle Erkrankungen zusammengefasst. Die bei weitem häufigste Manifestation ist die Hauterkrankung „Erythema migrans“, die durch ihr typisches Aussehen diagnostizierbar ist.
Nur bei etwa 3 % des einen Prozents der Erkrankten entwickelt sich eine Neuroborreliose.
Mit anderen Worten 3 von 10.000 (im Regelfall bemerkten) Zeckenstichen führen zu einer Neuroborreliose.
Auch die Neuroborreliose ist durch ein charakteristisches Krankheitsbild gekennzeichnet. Nicht näher zuordenbare „komische“, vielleicht doch neurologische Symptome charakterisieren das Krankheitsbild nicht.
Etliche Zeckenstiche bewirken eine Serokonversion, ohne irgendeine Erkrankung hervorzurufen. Daher kommt es häufig vor, dass eine Blutuntersuchung scheinbar Hinweise auf eine Infektion liefern, ohne dass tatsächlich eine aktuelle Infektion vorliegt. Es handelt sich dabei um vielleicht Jahre zurückliegende Zeckenstiche, die oft gar keine Infektionskrankheit ausgelöst haben, deren Ergebnis aber in einer Blutuntersuchung nicht von einer aktuellen Infektion zu unterscheiden sind (sogenannte: „Seronarbe“).
Allerdings führen fast alle Infektionen, die zu einer manifesten Erkrankung führen auch zu einer Serokonversion. Eine negative Borrelienserologie sagt also (mit raren Ausnahmen) aus, dass es sich um keine Borreliose handelt.
Mit anderen Worten: Eine negative Borrelienserologie (8 Wochen nach dem Zeckenstich) spricht weitgehend gegen die Erkrankung, eine positive Borrelienserologie spricht nur in Verbindung mit einem typischen Krankheitsbild für eine Erkrankung. In der Praxis sagt sie eigentlich nur aus, dass es sinnvoll ist, das Beschwerdebild noch einmal im Hinblick auf eine Borreliose zu evaluieren und ggf. weitere Untersuchungen durchzuführen.
Jetzt stellt sich also die Frage: „Sieht das ganze wie eine Neuroborreliose aus?“
Folgende Symptomatik sollte zur Abklärung in Richtung einer Neuroborreliose führen:
Es ergeben sich zwei führende Krankheitsbilder, die beide selten sind, wobei die späte Neuroborreliose schon eher eine Rarität darstellt.
Es geht darum aus der Idee „es könnte sich um eine Neuroborreliose handeln“ zu einer möglichst sicheren Entscheidung zu kommen. Also zu der Aussage „es handelt sich um eine Neuroborreliose“ oder „es handelt sich nicht um eine Neuroborreliose“.
Die Neuroborreliose ist eine Entzündung des Nervensystems durch Borrelien. Im Liquor cerebrospinalis ( umgangsprachlich „Nervenwasser“) sind sowohl Entzündungszeichen, als auch Zeichen der Borrelien nachweisbar. Dann steht die Diagnose fest. Umgekehrt kann ohne Liquropunktion die Diagnose einer Neuroborreliose nicht gestellt werden.
Gedanklich können also folgende diagnostische Kategorien aufgestellt werden:
Polyneuropathien sind insgesamt häufige Störungen in der Neurologie. Ein schlüssiger Beweis, dass eine PNP Folge einer Borreliose ist, gelingt selten. Eine isolierte PNP wird nur im Ausnahmefall Anlass für eine Borreliendiagnostik sein.
Dass eine Borrelieninfektion psychiatrische Krankheitsbilder oder ein sogenanntes „hirnorganisches Psychosyndrom“ verursacht ist ebenso eine Rarität, wie ein einziger beschriebener Fall eines Tourette-Syndroms, eine Vaskulitis, die dann Schlaganfälle verursachen kann, oder eine Myositis (Muskelentzündung).
Im Zusammenhang mit zahlreichen langdauernden Allgemeinsymptomen und unspezifischen Symptomkonstellationen und eventuell positiven Borrelienserologien wurden Hypothesen zu einem Zusammenhang postuliert und die oben genannten Krankheitsbilder („Post-Treatment Lyme Disease Syndrom“ und „chronische Neuroborreliose“, „Lyme-Encephalopathie) vorgeschlagen. Ein wissenschaftlicher Nachweis dazu steht derzeit noch aus. Eine borrelienspezifische Therapie, z.B. mit wiederholter, oder langdauernder Antibiotikagabe wird jedenfalls nicht empfohlen.
Die angeführten Krankheitsbilder sollten im Allgemeinen nicht zu einer Borreliendiagnostik Anlass geben. Letztlich beweisend ist aber die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis („Nervenwasser“).
Aus dem oben gesagten ergibt sich, dass durch das Erscheinungsbild, also die vom Patienten geschilderten Symptome und die klinisch neurologische Untersuchung sich das Bild einer Erkrankung ergibt, die mit einer Neuroborreliose vereinbar ist.
Durch die serologische Untersuchung (Blutabnahme) wird gezeigt, dass überhaupt einmal ein Kontakt des Patienten mit Borrelien stattgefunden hat und daher eine Neuroborreliose nicht auszuschließen ist und die weitere Untersuchung darauf sinnvoll ist.
Durch die Untersuchung des Liquor cerebrospinalis („Liquorpunktion“) werden eine aktive Entzündung und der Krankheitserreger im Zentralnervensystem nachgewiesen. Dadurch ist dann die Neuroborreliose bewiesen, oder im negativen Fall ausgeschlossen.
Eine MRT (Kernspintomographie) und andere neurologische Hilfsuntersuchungen (z.B.: Messung der Nervenleitgeschwindigkeit, NLG) dienen vor allem der Abgrenzung zu anderen Erkrankungen, können aber auch mit der Neuroborreliose vereinbare Befunde ergeben. Der Beweis, oder Ausschluss der Neuroborreliose gelingt aber mittels MRT nicht.
Wie die meisten Infektionskrankheiten kann auch die Borreliose ohne Therapie ausheilen. Das zeigt ja auch schon der bereits mehrfach zitierte Anteil von seropositiven Personen in der gesunden Allgemeinbevölkerung.
Trotzdem geht man davon aus, dass eine antibiotische Therapie die Heilung beschleunigt und den Anteil der Restsymptome verringert und daher indiziert ist.
Als Therapiedauer wird bei der frühen Neuroborreliose 14 Tage und bei der späten Neuroborreliose 14 bis 21 Tage empfohlen.
Das oral einnehmbare Doxycyclin und die intravenös zu applizierenden Beta-Lactam-Antibiotika (Penizillin G, Ceftriaxon und Cefotaxim) waren bezüglich der Rückbildung der neurologischen Symptomatik in Studien gleich gut wirksam.
Zur Therapie der frühen Lyme-Borreliose stehen für Erwachsene folgende Substanzen zur Verfügung:
Symptome können nach erfolgter Therapie noch einige Wochen, bis zu einem Jahr weiter bestehen. In diesem Fall dauert es eben, bis die geschädigten Strukturen wieder regenerieren, oder eine Defektheilung tritt ein. Eine wiederholte antibiotische Therapie ist aber nicht indiziert.
Der Goldstandard bei der Diagnostik der Neuroborreliose ist die Liquordiagnostik. Diese ist zweifellos bei dem Verdacht auf eine Neuroborreliose indiziert.
Sollte eine Liquorpunktion bei der diagnostischen Kategorie „mögliche Neuroborreliose“ nicht möglich sein, ist meiner Meinung nach ein einmaliger antibiotischer Therapieversuch zu vertreten. Wiederholte „Kuren“ sind aber sicher abzulehnen.