Der bis 15 cm große rote gepunktete Hut von Amanita muscaria/Fliegenpilz ist sein auffälligstes Merkmal.
Diesere Hut ist bei der Jugendform halbkugelig und später ausgebreitet.
An der Unterseite sind dicht stehende Lamellen sichtbar. Der runde weiße Stiel wird in der oberen Hälfte von einem gezähnten Ring umgeben.
Inhaltsstoffe und Wirkung
Der quantitativ wichtigste Inhaltsstoff von Amanita muscaria/Fliegenpilz ist Ibutensäure, die bei Trocknung, oder Erhitzung in das wesentlich wirksamere Muscimol umgewandelt wird. Die Wirkung erfolgt über GABA-Rezeptoren (Gamma-Amino-Buttersäure). Stoffe, die an den GABA-Rezeptoren angreifen, wirken vor allem sedierend (Angriffspunkt von Schlafmitteln und ein Angriffspunkt von Alkohol). Die klinische Wirkung ist aber nicht bloß sedierend.
Muscarin wurde nach Amanita muscaria/Fliegenpilz benannt in dem es 1869 als erstes Pilzgift entdeckt wurde. Es wirkt an den muscarinischen Acetylcholinrezeptoren. Tatsächlich ist es aber in Amanita muscaria/Fliegenpilz in geringer Menge enthalten und für die Wirkung nicht wesentlich.
Die Wirkung von Amanita muscaria/Fliegenpilz wird wie die des nahe verwandten Amanita pantherina/Pantherpilz als „Pantherinasyndrom“ bezeichnet. Ähnlich einem Alkoholrausch zeigt sich nach einer Latenz von einer halben bis drei Stunden Erregung, Ataxie (Gang-, Stand- und Bewegungsunsicherheit), motorische Unruhe, Mydriasis (Pupillenerweiterung), emotionale Änderungen von depressiver Verstimmung, Angst bis gesteigertes Wohlbefinden und Euphorie. Weiters kommen Derealisations- und Depersonalisationserleben, Verwirrtheit und Desorientiertheit vor. Zusammenfassend würde man einen solchen Zustand, wenn er stark genug ausgeprägt ist, als Delirium bezeichnen. Weiters werden häufig Zittern, Krämpfe und Muskelzuckungen beobachtet.
Eigentlich muscarinartige Wirkungen wie Schwitzen, Bauchkrämpfe, Übelkeit und Speichelfluss kommen zu Beginn der Wirkung ebenfalls vor. Diese würden auf Muscarin als Verursacher hinweisen, was aber, wie oben dargelegt, nur in sehr geringen Mengen in Amanita muscaria/Fliegenpilz vorhanden ist.
Verwendung
Die Verwendung von Amanita muscaria/Fliegenpilz bei Schamenen sibirischer Völker ist allgemein anerkannt. Aber auch hedonistischer Gebrauch war durchaus üblich. Ein Detail dabei ist, dass angeblich auch der Urin von Fliegenpilzkonsumenten und von Rentieren, die Fliegenpilze gefressen hatten, verwendet wurde. Das macht pharmakologisch insofern Sinn, als einerseits die in Amanita muscaria/Fliegenpilz vorherrschende Ibotensäure im Körper des Erstkonsumenten bereits in das wirksamere Muscimol verwandelt wird und andereseits andere giftige Pilzinhaltsstoffe, wie z.B. Muscarin entgiftet werden. Somit hätte dann der Urin eine besonders günstige Wirkung.
Ob die nordischen Berserker, wie oft behauptet, ebenfalls Amanita muscaria/Fliegenpilz zu sich nahmen, um in dadurch ausgelöster Tobsucht besondere Leistungen als Elitekrieger zu erbringen, ist unsicher. Wenn man sich das Pantherinasyndrom anschaut, darf bezweifelt werden, dass es tatsächlich zu einer Steigerung soldatischer Leistungen geführt hätte.
Ich selbst erinnere mich an nur eine Anamnese einer Verwendung von Amanita muscaria/Fliegenpilz bei einem meiner Patienten, die zu keinen psychiatrischen Problemen geführt hatte.
Der gut informierte Patient hatte aus Interesse einmalig eine Zubereitung aus der haut von Fliegenpilzköpfen konsumiert, da darunter die Konzentration von Ibutensäure am höchsten ist. Er hatte lediglich leicht den Eindruck von geometrischen Mustern an der Wand gehabt und war müde geworden. Er nimmt an, dass er eine zu geringe Menge eingenommen habe und sich mit einer höheren Menge deutlichere Effekte eingestellt hätten.
Die Verwendung dürfte also bei uns unüblich sein und zumindest nicht häufiger zu langfristigen psychiatrischen Problemen führen.