Wenn eine Person durch Alkohol beeinträchtigt ein KFZ in Betrieb genommen hat, ergeben sich Zweifel an den psychischen Voraussetzungen eine Lenkerberechtigung zu besitzen.
Voraussetzung für den Besitz einer Lenkerberechtigung ist nämlich, dass angenommen werden kann, dass die betreffende Person soweit in der Lage ist ihren Alkoholkonsum einzuschränken, dass sie beim Lenken eines KFZ nicht beeinträchtigt ist.
Besonders stark müssen die Bedenken sein, wenn gehäufter Missbrauch, oder eine Abhängigkeitserkrankung bestehen.
Die Beeinträchtigung kann offensichtlich sein (schwanken, lallen, Fahrverhalten), in der ärztlichen Untersuchung auffallen (Amtsarzt), oder aufgrund der Überschreitung gesetzlicher Grenzwerte des Alkoholgehaltes im Blut oder der Ausatemluft gegeben sein.
Zum Lenken eines KFZ in durch Alkohol beeinträchtigtem Zustand könnte eine Abhängigkeitserkrankung oder eine mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung, oder zur allgemeinen Einhaltung gesetzlicher und gesellschaftlicher Normen geführt haben.
Unter diesen Umständen kann eine Lenkerberechtigung aus fachärztlicher Sicht nicht belassen, oder erteilt werden.
Ein ganz wesentliches Kennzeichen der Alkoholabhängigkeit ist, dass die Kontrolle über Beginn, Höhe und Dauer des Konsums nicht ausreichend gegeben ist. Dass die betroffene Person, also nicht in der Lage ist, ihren Alkoholkonsum soweit einzuschränken, dass sie beim Lenken eines KFZ nicht beeinträchtigt ist.
Wenn allerdings wieder Kontrolle über Beginn, Höhe und Dauer des Konsums gegeben ist, kann eine Lenkerberechtigung auch wieder erteilt werden.
Das Mittel der Wahl zur Beurteilung dieser Umstände ist das offene ärztliche Gespräch. Ich bin oft erstaunt darüber, ein wie genaues Bild über die Problematik der Probanden sich bei solchen Gesprächen ergeben. Meist kann trotzdem, da ja inzwischen die Kontrolle wiedererlangt ist, die Belassung oder Erteilung einer Lenkerberechtigung befürwortet werden.
Selten meinen Probanden, mich vorsorglich belügen zu müssen. Dabei ergeben sich dann unnötige Widersprüche und manchmal solche Schwierigkeiten eine klare Argumentationslinie zu finden, dass es unmöglich wird, die Erteilung der Lenkerberechtigung zu befürworten.
Zusätzlich zum ärztlichen Gespräch werden routinemäßig Laborwerte kontrolliert. Diese sind nicht sehr sensitiv (empfindlich) und auch nicht sehr spezifisch (beweisen schlecht den Akoholübergebrauch oder gar den Kontrollverlust) und sind als Ergänzung der Beurteilung durch das ärztliche Gespräch geeignet. Die Kombination einer im Gespräch gestellte Diagnose mit den erhobenen Laborparametern (erhöhtes GGT, entsprechende Veränderungen im Blutbild und CDT) erlauben aber doch einen sehr sinnvollen Einsatz der Laborbefunde insbesondere auch während der Intervalle zwischen den fachärztlichen Kontrolluntersuchungen.
Da die Alkoholabhängigkeit eine Erkrankung mit Neigung zu Rückfällen ist, ist jedenfalls eine Kontrolluntersuchung vorzusehen, falls eine psychische Störung (vor allem ein Abhängigkeitssyndrom) festgestellt werden muss. Das ist sachlich sinnvoll und gesetzlich ohnehin vorgesehen.
Die Fragestellung der Behörde konzentriert sich vor allem darauf, ob ein Alkoholabhängigkeitssyndrom besteht. Dieses ist in der „Internationalen statistischen Klassifikation der Erkrankungen und verwandten Gesundheitsprobleme“ in der aktuell geltenden Version ICD-10 definiert.
Um die Diagnose eines Alkoholabhängigkeitssyndroms zu rechtfertigen müssen mindestens drei oder mehr der genannten Kriterien während eines Monats gleichzeitig, oder für einen kürzeren Zeitraum mehrmals innerhalb der letzten 12 Monate bestanden haben.
Als „schädlichen Gebrauch“ von Alkohol wird ein Trinkverhalten dann bezeichnet, wenn dadurch nachweislich eine Schädigung der psychischen oder physischen Gesundheit der Person eingetreten ist und dieses Verhalten trotzdem nicht aufgegeben wird.
Oft wird es nicht gerechtfertigt sein, ein Alkoholabhängigkeitssyndrom im strengen Sinne zu diagnostizieren, obwohl eventuell „ein Problem mit Alkohol“ besteht.
Das amerikanische Klassifikationssystem DSM-V (Diagnostisches und statistisches Manual) hält ein für die Einordnung dieser Situation geeignetes Werkzeug, nämlich die Diagnose der „Alkoholkonsumstörung“ bereit. Es werden dabei 11 Kriterien genannt. Wenn in den letzten 12 Monaten 2 bis 3 Kriterien erfüllt waren, geht man von einer leichten Störung aus, bei 4 bis 6 Kriterien von einer moderaten und bei mehr als 6 Kriterien von einer schweren Störung.
Neben der diagnostischen Zuordnung des Alkoholkonsums selbst, ist auch eine Mitbeurteilung von Alkoholfolgekrankheiten und sonstigen Begleiterkrankungen notwendig. Das sind vor allem eine Beeinträchtigung des Zentralnervensystems (Denken, Stimmung, Koordination) und des peripheren Nervensystems (Polyneuropathie), die bei schwerer Alkoholabhängigkeit vorkommen.
Oft wird es möglich sein, zu argumentieren, dass die Person in der Lage ist und soweit abschätzbar auch in Zukunft sein wird, ihren Alkoholkonsum soweit einzuschränken, dass sie beim Lenken eines KFZ nicht beeinträchtigt ist (mehr verlangt das Gesetz ja gar nicht) und somit die Erteilung oder Belassung einer Lenkerberechtigung fachärztlich zu befürworten. Trotzdem sehe sich jeden Anlass für eine solche Stellungnahme als persönliche Empfehlung, das persönliche Alkoholkonsumverhalten zu überdenken.